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Internierungslager: Zeitzeugen


Wilhelm Rott

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von © Bettina Rott.

Vortrag über Glaubenslehre: Sünde und Erlösung

(4.9.45 Wiederholung)

Der Vortrag über Sünde, Erbsünde und Erlösung war der zweite in unserer Vortragsreihe über evangelische Glaubenslehre. Der erste ging über natürlichen Gottglauben und den christlichen Gottglauben. In ihm war am Schlusse klargeworden, dass die latente Entscheidung darüber, ob ich mich mit dem natürlichen Gottglauben begnügen kann, oder mich genötigt sehe, zum christlichen Glauben ein Verhältnis zu gewinnen, daran liegt, ob und welches Verhältnis ich zu dem habe, was die Kirche, die Bibel Sünde nennt. Ein Mensch, der davon nichts weiß, wird sagen, ich komme mit dem natürlichen Gottglauben aus. Wer dagegen etwas von der Wirklichkeit der Sünde ahnt wird durch die Auseinandersetzung mit ihr schließlich zu dem christlichen Gottglauben, also zu Gott in Christus in der Heil. Schrift geführt werden.

Es gibt wohl kaum ein Wort aus dem Glaubensbekenntnis, das so sehr verkannt und mißverstanden worden ist wie das Wort Sünde, und erst recht das Wort Erbsünde. Da stellen sich gleich bestimmte Vorstellungen ein, Empörung wird laut, wenn etwa einneugeborenes, unschuldiges Kind in die katholische Kirche gebracht und dort vor der taufe bestimmten Zeremonien unterworfen wird, oder wenn etwa die Mutter nach der Niederkunft gereinigt werden muss, als ob das Schönste, was es im Leben einer Frau gibt, die Geburt, etwas Unreines wäre. Und schon sagt man, ich will mit diesen Dingen, mit Erbsünde und Sünde gar nichts zu tun haben, das ist Pfaffenbetrug, dazu da, um die Menschen knechtselig und unterdrückt zu halten und um Kirche und Erlösung als notwendig hinzustellen. Darum ist es notwendig, dass wir uns einmal die Zeit nehmen, wirklich über den Begriff der Sünde nachzudenken. Hier ist in der Tat auch sehr viel von christlichen Kreisen gesündigt worden, dass man bei dem Wort Sünde vornehmlich an das Sündengefühl denkt, an eine bestimmte zerknirschte Haltung, an fortdauernde Selbstanklagen, an einen Menschen, der, weil er sich dauernd in Schuldgefühlen wälzt und sich darin wohlfühlt, nicht für das Leben tüchtig wird und als Kopfhänger durch das Leben läuft.

Ich glaube zwar nicht, dass in den letzten 20 Jahren von sehr vielen Kanzeln in dieser weise gepredigt worden ist, wer aber nicht in die Kirche geht, kann immerhin meinen, es würde so gepredigt werden. Dazu möchte ich sagen, wir reden nicht über Sündengefühle –die Gefühle des Menschen sind uninteressant- , sondern wir reden über den wirklichen Tatbestand, ganz abgesehen davon, wie ihn das Gefühlsleben wiederspiegelt.

Sünde ist etwas anderes als Sündengefühl im Sinne eines Minderwertigkeitsgefühls. Oder aber man hat in der Kirche sehr oberflächlich von der Sünde gesprochen gerade weil man weiß, sehr viele Männer werden davon abgestoßen, was man manchmal in dem Sündengefühl sah. Ich denke auch hier wieder an die Verkündigung des Reichsbischof Müller 1933, dessen Anliegen es ja war, dem deutschen Mann klar zu machen, dass die Sünde vielleicht ja doch nicht so furchtbar sei, dass sie vielmehr ein gelegentliches Abirren vom rechten Weg sei, ein Danebentreten. Man sei wohl dadurch, dass man da hineingetreten sei, beschmutzt worden, aber man reiße sich wieder zusammen, andere Kameraden kämen zur Hilfe, dass man wieder auf die rechte Bahn komme, und so werde man mit Gottes Hilfe auch mit dem fehltritt, der Sünde fertig. So geht es nicht. Die Bibel redet ernster von der Sünde, und darum müssen auch wir davon ernst reden.

Der moderne Mensch hat auf verschiedene Weise versucht, die Welt der Sünde zu verharmlosen. Etwa auf dem Weg der Entschuldigung, dass er sagt: jawohl, es geht hier auf Erden nicht alles schön und gut zu, auch in meinem Leben nicht, und es sind wirklich scheußliche Dinge passiert. Aber ich bin nicht schuld, schuld ist meine Frau; hätte ich dieses furchtbare Weib, diesen Drachen nicht, dann wäre ich ein ganz anderer Mensch. Meine Frau reizt mich immer wieder dazu. Wer ist schuld? Die Marxisten antworteten darauf: das Milieu. Sie sagten, in den slums der Großstädte kann ein Mensch unmöglich als reiner Mensch leben, das Milieu ist schuld und schließlich Gott selbst, der den Menschen in dieses Milieu hineingestellt hat. Oder später sagte man: die Erbmasse ist schuld, was kann ich dafür? Ich bin, wie ich bin, aufgrund der Erbmasse, die ich mitbekommen habe, bin ich nicht voll verantwortlich zu machen für meine Tat, bin ich nicht ein Sünder im Sinne der Kirche. Oder man versuchte mit dem Begriff der Sünde durch eine soziale oder politische Erwägung fertig zu werden. Man sagt mit einem Blick auf die Gesetze des Staates: Ich bin noch nie mit dem Gesetz, mit den Paragraphen des Strafgesetzbuches in Konflikt gekommen, folglich bin ich doch kein Sünder. Oder man misst sich immer an denen, die noch schlechter sind als wir, und durch dieses Abmessen kommen wir ganz gut dabei weg. Oder man wird medizinisch mit der Sünde fertig: Man sagt, die Sünde ist ein Minderwertigkeitskomplex. Spüre ich im Leben Hemmungen in mir, gehe ich zum Psychologen, lasse mich für 10 Mark behandeln, rede mich bei ihm aus, einmal oder mehrmals. Ich tue das, was ich sonst nie getan habe. Ich bin in der Kirche auf diesen Gedanken gekommen. Ich bin einmal zum Pfarrer gegangen und habe ihm alles erzählt. Das hat mich erleichtert – obwohl es keine zehn Mark gekostet hat. Bei dem Arzt habe ich alles abgeladen; langsam komme ich durch die andauernde Behandlung dahin, dass ich ein Gefühl der inneren Erleichterung fühle. So manche meinen, damit sei das Problem Sünde erledigt. Ich könnte noch vieles andere nennen, womit gerade der moderne Mensch verstanden hat, sich meisterhaft an der Wirklichkeit der Sünde herumzudrücken. Das ist aber nicht erstaunlich. Die hl. Schrift selber redet an entscheidender Stelle von der Sünde als einer unerkannten Sünde. Die Sünde ist immer wieder die von uns unerkannte verschleierte Sünde. Ich denke an den 90.Psalm. Dort kommt ein Wort vor, das in einem bestimmten Zusammenhang steht, das uns aber auch hier weiterführen soll. Es heißt dort: „DU stellst unsere unerkannte Sünde ins Licht vor Dein Angesicht.“ Der Psalm fährt dann fort: „Darum fahren alle unsere Tage dahin durch Deinen Zorn; wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz.“ Hier merken wir es, wie das Leben, wie Gott sich rächt an der Tatsache, dass wir unsere Sünde verstecken, verschleiern, entschuldigen. Das Ergebnis ist: Wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz. Jenes Wort, das in dem Roman von Wichert ‚Das einfache Leben’ Bedeutung bekommt, das den Helden des Romans aufweckt, so dass er sagt: dein ganzes Leben war wie ein Geschwätz, und er versucht nun, ein neues einfaches Leben aufzubauen. Ist es nicht so? Der moderne Mensch hat zwar meisterhaft verstanden, auf seine weise mit der Sünde fertig zu werden; er ist damit gestraft worden, dass sein Leben zum Geschwätz geworden ist. Tage, Jahre reihen sich aneinander; kein deutlicher Ton und Klang wird laut, aufsteigend aus diesem Leben, alles zerfließt in Nichtigem. Wir bringen unsere Jahre zu wie ein Geschwätz. Das liegt daran, dass wir die Frage nach der Sünde nicht klar beantwortet haben, und eine Heilung von der Verfallenheit unseres Lebens, dem Geschwätz wird nur dann, in dem Augenblick kommen, wo wir uns wirklich unsere Sünde von Gott ins Licht stellen lassen. Du stellst unsere unerkannte Sünde ins Licht vor Dein Angesicht. Wie geschieht das? Das geschieht dadurch, dass uns die Wahrheit Gottes anstrahlt, es geschieht dadurch dass Gott den Schleier wegreißt und uns zeigt, wie wir sind. Dem Menschen ist es unmöglich sich wirklich selbst zu erkennen. Er kann es nicht, aber Gott erkennt uns und in seinem licht müssen wir uns und unsere Lage erkennen. Gott hat uns unsere Wahrheit offenbart. Wir kennen die zehn Gebote. Dem modernen Menschen sind sie weithin unbekannt geworden. Der moderne Mensch hat sie gerade als Menschengebote einer anderen Rasse hingestellt, er hat die Zusammenfassung der zehn Gebote, wie sie schon vom A.T. vorgenommen wurde, zu seiner eigenen gemacht.

Ich erinnere an eine Bekenntnisschrift unserer Kirche, den Heidelberger Katechismus. Da steht ganz am Anfang ein kurzer Abschnitt: „Von des Menschen Elend.“ Gemeint ist die Sünde als Elend des Menschen. Der Katechismus fragt: Wie erkennst du überhaupt das Elend deiner Sünde? Antwort: Aus dem Gesetz Gottes. Frage: wie lautet das Gesetz? Antwort: Das fasst Christus als in einer Summa zusammen, nämlich: Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von all’ deinen Kräften, und du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst. In diesen beiden Stücken hänget das ganze Gesetz und alle Propheten. Das ist die Wahrheit Gottes, der Wille Gottes für uns, der Scheinwerfer, der uns anstrahlt. Nun stehen wir in diesem Licht und schauen in diesen Spiegel hinein. Und das Ergebnis? Der Katechismus drückt das in seiner radikalen Sprache so aus: Wir sehen in diesem Spiegel ein Gesicht, das entstellt ist zu einer Fratze, entstellt von den steinernen Lügen der Selbstsucht, entstellt von der Sünde. Er fasst dieses Bild zusammen in den Worten: Wir sind von Natur geneigt, Gott und unseren Nächsten zu hassen. Wir werden sagen, das ist aber übertrieben, ein typisches Beispiel für die übertreibende Sprache der Kirche, hier der Kirche des 16. Jahrhunderts. Aber gemach, was heißt denn Gott und den Nächsten hassen? Das heißt ja nicht unbedingt, mit den Fäusten auf das Kruzifix losgehen, sondern der Hass einem Menschen gegenüber beginnt damit, dass ich mich von ihm abkehre, dass ich gleichgültig gegen ihn werde, an ihm vorbeigehe, ihn links liegen lasse. Kommt aber der Mensch, mit dem ich nichts zu tun haben will und stellt sich mir in den Weg, so wird sich der Hass dadurch zeigen, dass ich ihn unter Umständen sogar niederschlage. So führt denn der Hass im äußersten Fall zum Niederschlagen und zum Totschlag Der moderne Mensch hasst auch Gott nicht. Warum nicht? Weil er ihm viel zu fern ist; er tut ihm ja nichts. Er geht an Gott vorbei, er führt ein Leben ohne Gott, in seinem Leben ist kaum noch eine Erinnerung an Gott. Tritt ihm dann aber Gott mit seinem Willen und seinem Gebot wirklich so entgegen, dass er es nicht umgehen kann, dann mag sich in ihm seine Gleichgültigkeit und Neutralität gegen Gott in jenen Hass verwandeln, der immer und immer wieder Ereignis wird. Wir sind von Natur geneigt, Gott und den Nächsten zu hassen. Wie gesagt, das kommt in dieser krassen Form im normalen Leben nicht so sehr zum Vorschein, aber es gibt Grenzsituationen in unserem leben, wo uns diese Anlage in der Welt deutlich und offenbar wird. Ich denke z.B. daran, wie im Frieden am Sonnabend Nachmittag, wo nach Büroschluß jeder schnell in den Vorort zu seiner Familie kommen will, die Bahnsteige überfüllt sind, der Vorortszug einläuft, es beginnt der Sturm, der Kampf um das Trittbrett, und siehe da, der höfliche Herr, der Kavalier, scheut sich gar nicht, seine Fäuste zu gebrauchen, um eine ältere Dame zurückzustoßen. Oder aber wir erleben und erlebten es hier beim Essenempfang, dass man sich, wie ich selbst gesehen habe, tatsächlich um einen Löffel Suppe geschlagen hat. Oder ich denke, um den extremsten Fall zu nennen, an einen Schiffbruch. Die Schiffbrüchigen treiben im Wasser, jeder greift nach einer Planke. Einer hat eine. Nun kommt ein anderer und greift auch danach. Zwei Mann würde sie nicht tragen. Was tut da der vielleicht ethisch sehr hoch stehende Mann? Er stößt den, der nach der Planke greift, zurück und überliefert ihn damit dem Tod. Wenn es ernst wir in solchen Grenzfällen, da wird offenbar, was dieser alte Katechismus sagt: Wir sind von Natur geneigt, Gott und den Nächsten zu hassen.

Wir fragen nun: von Natur aus geneigt, wie kommt denn das eigentlich? Darauf gibt uns Gottes Wahrheit in der heiligen Schrift weitere Auskunft. Sie sagt: Wir Menschen leben und werden geboren in der Gottesferne, auf einer Insel, die von dem Festland des ewigen Lebens Gottes abgetrennt ist. So, wie die dänischen Inseln durch den Sund von Jütland getrennt sind, ist unser Leben, sind die Bereiche unseres Lebens durch den Sund der Sünde –beides hängt sprachlich miteinander zusammen- von dem ewigen Leben Gottes abgetrennt. Das ist die Sünde, die Absonderung von Gott. Aus dieser Absonderung von Gott, aus diesem Sund kommen all’ die bösen Gedanken, Worte und Werke der Menschen, die auf dieser Insel abgetrennt von Gott leben. Der Sund der Sünde ist also die Voraussetzung für das, was wir die Sünde nennen.

Oder in einem anderen Bild ausgedrückt: Wir leben alle auf einem Vulkan. Er ist vor langer Zeit erloschen, so dass man sich auf den Lavafeldern der Umgebung ansiedeln und sie fruchtbar bebauen kann. Aber dann bricht der Vulkan doch immer wieder durch und zeigt, dass wir eben in der Nähe, ja auf dem Grunde eines Vulkans leben. Diesen Tatbestand hat Luther so ausgedrückt, dass er sagt: Der Mensch lebt in der Sünde oder von der Grundsünde: Im Grunde, da nagt jener Wurm an der Wurzel unseres Lebens, da ist schon etwas nicht in Ordnung. Anders ausgedrückt, unser Leben, wie wir es kennen, ist schon immer mit einer Hypothek belastet, und daher kommt all’ das, was wir an Einzelsünden, an bösen Gedanken, Worten und Werken in unserem Leben erleben. Diese Grundsünde oder Wurzelsünde, die die Voraussetzung aller Einzelsünde ist, nennt die Kirche mit dem sehr missverständlichen Ausdruck Erbsünde. Erbsünde ist die schlechte Übersetzung des lateinischen Wortes peccatum originale also auch Ursprungssünde. Man sollte das Wort Erbsünde also besser ersetzen durch Ursprungssünde, Wurzelsünde oder Grundsünde.

Wie zeigt sich nun diese Grundsünde? Jener Sund unseres Lebens zeigt sich in dem schrankenlosen Egoismus. Der Mensch, wie er wirklich lebt, sagt: ich, ich, ich! Er will sich erhöhen, und selbst in seinen edelsten Taten drängt sich der Egoismus immer wieder ein. Der Mensch, den wir heute sehen und erkennen, ist eben nicht mehr der Mensch der reinen Schöpfung Gottes; sein Lebensakt, der sicherlich auch als ein Akt der Schöpfung Gottes dient, ist in gewisser Weise entstellt, ist vergiftet, hat eine verkehrte Richtung. Oder mit einem anderen Bild: Es gibt Menschen, die ganz dunkel, und solche, die hell sind, die meisten sind gestreift. Das ist aber nicht das Entscheidende, was interessiert, sondern die Tatsache, dass die Menschen, ob gut oder böse oder gemischt, in einem Zug sitzen, der in verkehrter Richtung fährt. Diese verkehrte Richtung unseres Lebens ist die Grund- Wurzel- oder Erbsünde.

Erbsünde hat nichts zu tun mit erblicher Belastung. Biologisch sollten wir die Dinge überhaupt nicht verstehen. Darum ist es ein großes Missverständnis, wenn man etwa meint, der Zeugungsakt, durch den der Mensch ins Leben gerufen wird, sei in besonderer Weise der Sitz der Erbsünde. Davon ist in der hl. Schrift kein Wort zu lesen. Vielmehr steht das ganze Leben –Anfang, Mitte und Ende- unter diesem Vorzeichen. Nun können wir sagen, wenn das so ist, dann ist es vielleicht doch nur ein Schicksal, das der Mensch zu tragen hat. Wir können ja gar nicht anders leben, als dass wir uns erhöhen, breit machen und ausdehnen auf Kosten der anderen. Müssen wir nicht etwa mit Nietzsche sagen, gerade das, was die Kirche Sünde nennt, ist das Gute? Ich muss mich zu dieser Grundsünde gerade stellen, nieder mit allem Schwachen, das Starke, das Leben hat, soll ruhig das Schwache nieder wälzen. Was wir bisher Sünde genannt haben, ist in Wirklichkeit Gerechtigkeit, die Sünde besteht darin, dass wir uns nicht rücksichtslos genug durchsetzen. So hat der moderne Mensch die Dinge zuletzt wirklich auf den Kopf gestellt. Die Frage, ist das nicht ein Schicksal, das uns unverschuldet trifft? Es wäre schon viel gewonnen, wenn das heutige Geschlecht zum mindesten einmal einsähe, was die edelsten Griechen eingesehen haben, dass diese Welt, in die wir hineingeboren werden, eine tragische Struktur hat, dass wir also schuldig werden müssen. Ich denke an die großen Dramen wie Antigone. Der Mensch, der ins Leben hin erwacht,, wird schuldig, weil das Dasein eine tragische Grundstruktur hat. Schuld ist also tragisches Schicksal, der Held wird schuldig. Das ist schon eine wichtige Erkenntnis, die weit über die Oberflächlichkeit der Welt- und Menschenerkenntnis unserer Tage hinaus reicht. Aber die Bibel führt aus noch tiefer hinein. Sie sagt, dieses unser Sündigsein, das ist die Schuld des Menschen. In diesem Zusammenhang redet sie von einem Urfall und einer Urschuld. Wir, die wir ja die Bibel in ihren ersten Blättern kennen, wissen, dass sich der erste Mensch –der Mensch also, den wir nicht kennen, den wir nicht durch unsere historische Forschung entdecken können-, genannt Adam, aus den Händen Gottes entwunden und sich selbständig gemacht hat; dass er darum aus dem Paradies des ewigen Lebens getrieben wurde und dass er nun in einem Leben lebt, das durch den Sund der Sünde von Gott getrennt ist und dass sich vor den Toren des Paradieses dieser Sündenfall gleichsam immer und immer wiederholt.

Um das Wesen diese Urfalls und damit der Ursünde zu erkennen und damit auch gleichzeitig das Wesen der Sünde, die sich heute vor den Toren des Paradieses immer wiede holt, wollen wir einmal die Bibel aufschlagen und das Kapitel kurz durchgehen, das uns diesen Fall beschreibt. Damit wir es richtig verstehen, ist es, wie ich gleich sagen möchte, notwendig zu begreifen, dass „Adam“ auf deutsch „der Mensch“ heißt, dass uns also hier etwas geschildert wird, was sich in unserem Leben wiederholt.. Ich möchte da ein Bild gebrauchen. Wir sehen in unseren Bauernhäusern oft als Erinnerung an die Reservistenzeit eine Uniformschablone, auf die oben jeweils eine Photografie des Betreffenden aufgeklebt wird. So gehört unser Kopf auf die Schablone dieser Erzählung. Wir sind der Adam und so wollen wir diese Erzählung hören, wollen sie hören als moderne Menschen, die jetzt davon betroffen werden. „Und die Schlange war listiger denn alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hat und sprach zu dem Weibe.“ Wir wollen uns jetzt noch nicht fragen, hat die Schlange wirklich gesprochen? Das ist doch ein Märchen! Die Schlange ist hier der Vertreter der finsteren Macht. Wir wollen auch nicht fragen, wie kommt die finstere Macht in diese Welt, das ist alles spekulativ, wir fragen, wie sind wir drin in der Welt, wir wollen darüber Aufklärung haben. Kurz und gut, die finstere Macht steht hinter dem Geschöpf Gottes und flüstert dem Weib etwas ein. Achten wir darauf, wie die Sünde beginnt! „Ja, sollte Gott gesagt haben, ihr sollt nicht essen, von allerlei Bäumen im Garten?“ Das ist die Frage. Welchen Sinn hat sie? Sie hat den Sinn, den Zweifel des Menschen zu wecken. Den Zweifel zunächst an der Tatsache, ob überhaupt Gott geredet hat. Hat denn Gott wirklich geredet, - so hören wir auch heute- ist nicht die Vorstellung, dass Gott wirklich geredet hat, wirklich etwas geboten hat, mythologisch? Ist das nicht ein Trau, Einbildung, Pfaffenbetrug? Gott kann doch nicht reden, er gebietet doch nichts! Sollte Gott gesagt Haben? Zweifel an der Tatsache, dass Gott überhaupt redet und gebietet. Weiter Zweifel an der Tatsache, ob es Gott auch gut mit uns meint, wenn er gebietet: Ihr sollt nicht essen von allerlei Bäumen im Garten. Die Schlange verdreht hier: Das hat Gott gar nicht geboten, ihr sollt essen von allen Bäumen. So kommt der Versucher, dreht alles um und weckt damit den Zweifel in die Güte Gottes: Er gönnt euch das nicht, er will gar nicht, dass ihr davon esst. Also erwecken des Zweifels mit doppelter Absicht. Wie reagiert das Weib auf diese Saat des Teufels? Anscheinend benimmt sie sich ganz tapfer. Sie stellt richtig und sagt, wir essen von allen Früchten des Gartens, aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt, esst nicht davon, rührt sie nicht an, dass ihr nicht sterbt! Sie stellt also richtig, sie macht sich zum Advokaten Gottes. Sehr tapfer, aber wir merken doch, schon dieses Erdbeben. Es beginnt mit einem leichten Erdstoß und es gerät schon etwas ins Schwanken. Wäre das Weib wirklich das Kind Gottes geblieben, so wäre es weggelaufen und hätte sich geborgen –wie sich ein Kind im Schoße des Vaters oder der Mutter birgt, wenn irgendein Fremder kommt und etwas Unheimliches sagt-, dann hätte das Weib nicht Gott verteidigen wollen, es hätte sich abgewandt und der Stimme ihr Ohr verschlossen. Die Schlange merkt, -jetzt die weitere Erschütterung, sie ist schon da, - die Schlange stößt nach: „(einfügen 1.Mose 3,4-5)“ Jetzt kommt es Faustdick, jetzt kommt die Lüge: Mitnichten des Todes sterben, gerade umgekehrt, wie es Gott euch gesagt hat, ihr werdet nämlich klug werden, werdet sein wie Gott! Eritis sicut Deus!“ Hier haben wir schon das Wesensgesetz der Sünde. Die Lüge ist die Quelle der Sünde, die Sucht zu sein wie Gott. „Ihr werdet sein wie Gott und selbst wissen, was gut und böse ist.“ Das ist die Vorspiegelung des Menschen, der bisher ein Kind war. Er soll nicht mehr Geschöpf sein, er soll selbst Gott sein, selbst die Gesetzestafeln der Welt setzen, wissen, was gut und böse ist. Nun hat die versucherische Stimme gewirkt. Das Weib macht die Augen auf, schaut umher und schaut jetzt diesen mysteriösen Baum an. Es sieht ihn auf einmal mit wunderbarem Glanz umgeben. „ (einfügen 1.Mos.3,7)“ Jetzt ist das Erdbeben geschehen. Aus den Erwägungen heraus kommt es zur Tat. Der Blick, der nun diese wunderbare Sache sieht, das Leben, das Gott ähnelt, das Leben in der Freiheit, im Erwachsenenzustand, dieser Blick wird zur Tat in dem Griff nach der Frucht, dem Essen und Weitergeben. Nun hat sich der Mensch von Gott gelöst durch die Tat. Er ist nun selbständig, er wähnt zu sein wie Gott. Seine Augen werden aufgetan, er hat nun ein höheres Wissen. Aber unser Abschnitt schließt damit, dass er zeigt, die Menschen sehen jetzt etwas mehr, sie haben jetzt höhere Erkenntnis, aber nur die höhere Erkenntnis, dass sie nackt sind. „(einfügen 1.Mose3,7)“ Das ist der Absturz. Sie glaubten, sie würden in die Freiheit, in die Luft des Glanzes und der Schönheit kommen. Sie sehen jetzt, dass sie sich voreinander schämen müssen. So endet die Geschichte vom Sündenfall.

Nun geht es weiter: Wie verhält sich nun Gott mitten in der Sünde des Menschen? („Sie hörten...einfügen Vers 8 u. 9...wo bist du?“) Gott bleibt dabei und die Menschen verstecken sich nun. Wir haben ja vorhin gesehen, welches die Fluchtmöglichkeiten des moderne Menschen sind, wie er sich versteckt vor der Stimme Gottes, die nun auf einmal furchtbar wird. Der Herr aber mit seiner Wahrheit leuchtet in all unsere Verstecke hinein und fragt: Mensch – Adam, wo bist du? Das ist die Gottesfrage, meine Kameraden:

Wir Menschen haben die Gottesfrage umgekehrt. Auch der moderne Mensch ist ein Mensch, der nach Gott fragt, die Gottesfrage ist wieder lebendig, er meint aber etwas ganz Anderes, als hier steht. Er fragt da: Wo ist Gott? Wo kann ich ihn entdecken, ihn sehen? Mit dieser letzten Gottesfrage, die die modernen Menschen aufstellen, verdecken sie die eigentliche Gottesfrage, mit der er fragt: Wo bist du, Mensch? Das ist die entscheidende Frage in unserem Leben: Wo hast du dich versteckt?

Adam ist gestellt. Nun entschuldigt er sich: „Ich hörte Deine Stimme im Garten und fürchtete mich.“

Jetzt kommt die Überführung. „Hast du nicht gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot, du solltest nicht davon essen?“ Nun kommt nach dem Verstecken die zweite Möglichkeit des modernen Menschen, mit seiner Sünde fertig zu werden: „Da sprach Adam: Das Weib, das du mir gegeben hast:..“ Da steht der ritterliche Mann und schiebt das Weib vor. Er entschuldigt sich: „Das Weib, das du mir gegeben hast.“ Er schiebt die Schuld auf das Weib und schließlich auf Gott: „..das du mir gegeben hast.“ Nun wendet sich der Herr zum Weib: Warum hast du das getan? Das Weib entschuldigt sich: Die Schlange betrug mich, also dass ich aß. Verstecken und Entschuldigen unserer Sünde. Wir wissen, wie die Geschichte weitergeht. Gott wehrt sich gegen den Übermut der Menschen und straft ihn mit seinen Flüchen. Die Schlange wird verflucht, das Weib. Aber wir sehen, in der Mitte der Nacht dieses Fluches strahlt schon das Licht auf, das in die Zukunft weist:: Einer, der vom Weib geboren wird unter Schmerzen, der wird dann endlich mit dieser Sünde fertig werden. Und dann kommt der Fluch an Adam. Aber wunderbarerweise schlägt der Blitzstrahl neben Adam in die Erde. „Verflucht ist der Acker im Deinetwillen, Dornen und Disteln soll er tragen und du bist Erde und sollst wieder zu Erde werden.“ Wir leben jetzt Dank der Tatsache, dass der Mensch gefallen ist, auf dem Acker, der Dornen und Disteln trägt. Die Menschen werden aus dem Paradies ausgetrieben und ein Cherub mit flammendem Schwert bewacht den Eingang. Damit der Mensch nicht von sich aus zurückkehre und vom Baum des Lebens esse, damit er ewig leben werde, lässt Gott den Eingang zum Paradies bewachen. Nun lebt der Mensch draußen auf dem Acker, der Dornen und Disteln trägt, und die Rückkehr zum Paradies und zum Baum des Lebens ist ihm nicht möglich. Der Mensch lebt nicht ewig. Je nüchterner wir diese Lage des Menschen sehen, um so besser wird für uns unser Weg auf dem dornigen Acker der Welt sein. Nein, es gibt keinen Weg zurück ins Paradies und alle Ideologen und Politiker, die das Paradies auf Erden zurückzaubern wollen, mehren nur das Leid und Elend, schlagen die Anderen, die ihr Paradies nicht haben wollen, tot. Gott hat einen anderen weg. Damit kommen wir zum letzten der Menschheit gezeigt, um mit der Sünde fertig zu werden. Wir kennen es nicht, wir, die wir heute geboren werden, werden schon aus dem Paradies heraus geboren, auf dem Acker, der Dornen und Disteln trägt. Wir tragen mit an der fremden Sünde, an der fremden Schuld, aber wir übernehmen diese fremde Sünde und Schuld durch unseren Willen, so sagt es Paulus. Wir haben in Adam alle gesündigt. Wer die Geschichte des Sündenfalls liest, der weiß wahrhaftig: Mein Kopf gehört auf dieses Bild! Ist das nicht bündig und schlüssig unsere Lebensgeschichte? Fängt es nicht immer damit an, dass wir von Misstrauen in die Güte Gottes erfüllt werden? Dass wir nicht wahrhaben wollen, dass Gott uns zu unserem Wohl und Heil etwas gebietet? Dass wir die Gebote Gotte und den Zaun, den Gott durch diese Gebote über unseren Lebensacker um uns schließt, als Last, als Qual und chinesische Mauer empfinden, dass wir ausbrechen möchten, dass die, die draußen vor dem Zaun stehen, einbrechen möchten, weil wir glauben, draußen ist die Freiheit, draußen ist es schön? So wird unserem Leben Freiheit und Glück vorgegaukelt, bis wir entdecken, wir sind betrogen worden, und uns dessen schämen. Misstrauen in die Güte Gottes, in sein gebot, das ist auch heute der Grund unserer Sünde. Wir übernehmen Adams Sünde durch unsere eigene Tat:

Und nun stellen sich die Warumfragen ein. Warum hat das Gott so eingerichtet, dass er Adam fallen ließ? Warum? Wir Menschen, die wir draußen vor dem Paradies leben, sind nicht in der Lage, in das Geheimnis Gottes zurückzufragen. Die Warum-Frage ist die törichste aller Fragen. Warum, fragen wir weiter, gibt Gott uns, die wir außerhalb des Paradies geboren werden, nicht eine neue Chance? Warum werden wir außerhalb des Paradieses geboren? Ja, warum? Wir können vielleicht im Sinne der hl. Schrift sagen, wir Menschen sollen dadurch lernen, uns nicht zu überheben über andere Menschen, die gefallen sind, sondern wir sollen außerhalb geboren werden und sollen uns zusammen schließen nicht als die Pharisäer, sondern in der Solidarität der schuld mit all den Anderen. Warum? Gott hat einen anderen weg für uns bestimmt, das ist nicht der Weg zurück, ist nicht der Weg des theoretischen Fragens und Spekulierens. Wenn einer im Wasser liegt und im Strudel versinkt, dann denkt er nicht darüber nach, wieso ist das passiert, warum muss gerade mir das passieren, wer ist schuld daran, sondern er tut alles, um herauszukommen. Er greift nach dem Rettungsring, der ihm zugeworfen wird. Wir leben in unserem leben nicht als Zuschauer auf der Tribüne, die dem weltgeschehen zusehen, sondern sind selbst unten in der Arena und werden angegriffen. Da heißt es für uns, sich abwehren und sich retten zu lassen. Gott hat also seine Gerechtigkeit anders offenbart, als wir denken.

* Quellen:

  • E-Mails von Bettina Rott, Neckargemünd, an Moosburg Online, Februar 2004.

    Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von © Bettina Rott.

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