Internierungslager: Zeitzeugen |
Wilhelm Rott
Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung von © Bettina Rott. |
Der Pfarrer der evangelischen LagergemeindeBettina Rott erinnert an ihren Vater Wilhelm Rott, den Pfarrer der evangelischen Lagergemeinde Moosburg von Juni 1945 bis Juni 1946: Ich wuchs als 5. Kind, geb. 1949, zusammen mit 6 Geschwistern in einem evangelischen Pfarrhaus in Koblenz am Rhein auf. Das Leben meiner Eltern war geprägt durch den Dienst meines Vaters an der Kirche und einen überzeugten Einsatz für die Gemeinde Christi. Zunächst als Gemeindepfarrer der beiden zerstörten evangelischen Kirchen, ab 1958 bis zu seinem Tode 1967 als Superintendent der Rheinischen Landeskirche. In unserem Hause gingen wichtige Menschen ein und aus. Sie wußten in den 50er und 60er Jahren etwas zu sagen über die Aufgaben einer bußwilligen und versöhnungsbereiten Kirche, wie Martin Niemöller, Gustav Heinemann, Kurt Scharf und viele andere. Das Engagement meiner Eltern war geprägt von dem, was sie während des Nationalsozialismusses und in den Nachkriegsjahren erlebt hatten. Für meinen Vater gehörte dazu die Auseinandersetzung mit der Menschenzugewandtheit der Theologie Karl Barths, die Entscheidung für ein Pfarramt abseits der damals staatlich legitimierten Kirche der Deutschen Christen in der Bekennenden Kirche und damit der Verzicht auf eine reguläre Laufbahn im Kirchenamt. Die Zusammenarbeit mit Dietrich Bonhoeffer im Predigerseminar Finkenwalde, ein Jahr Haft in Gestapogefängnissen in Berlin, seine Zeit als Soldat in Athen bei der Spionageabwehr zusammen mit anderen Kirchenleuten aus dem Widerstand und schließlich seine Erfahrungen als Lagerpfarrer in Moosburg. Für meine Mutter waren diese Jahre an der Seite ihres Mannes geprägt durch die Begleitung aus eigener innerer Überzeugung als theologisch interessierte und gläubige Frau und als Mutter seiner 1941 und 1942 geborenen Kinder. Dies brachte die Bereitschaft zum Ortswechsel mit und schließlich die Auslagerung aus dem bekämpften Berlin nach Pommern und von dort die Flucht vor der nahenden Sowjetarmee. Die Zeiten der Trennung, der gegenseitigen Sorge umeinander, die Unsicherheiten und Ängste teilen meine Eltern mit vielen ihrer Generation in Deutschland, ihnen wurde es geschenkt, dass sie sie im Vertrauen auf Gott durchleben konnten. Aufgrund ihrer Erfahrungen war ihr Leben und Wirken durchdrungen von dem Willen eine Wiederholung der deutschen Katastrophe des Nationalsozialismus zu verhindern. Aber auch davon, die Schuld, die Deutschland auf sich geladen hatte, zu mildern. Deswegen verstanden sie ihr seelsorgerliches Amt auch als ein Amt in gesellschaftspolitischer Verantwortung. So setzte sich mein Vater wie selbstverständlich ein gegen die Wiederbewaffnung West-Deutschlands und für die Versöhnung mit dem jungen Staat Israel. Meine Mutter füllte ihre selbstgewählte Aufgabe als Pfarrfrau nicht nur in der Begleitung meines Vaters aus, sondern auch in eigenständiger Verantwortung vor allem in der gemeindenahen pädagogischen Arbeit mit Frauen. Ja und wir Kinder? Wir lernten die „Moosburger Brüder“, bei ihren Besuchen in unserem Haus kennen und schätzen. Mein Vater blieb mit der Gemeinde der Moosburger Brüder lebenslang verbunden durch den regelmäßig erscheinenden „Moosburger Brudergruß“, die Freizeiten in Rummelsberg und persönliche Kontakte. Eine ausgiebige Korrespondenz liegt vor zwischen meinem Vater und dem Autor des Büchleins: „Freiheit der Gefangenen“, Heinrich Doerfler. Aber wir kamen bei all’ den vielen „Notwendigkeiten“ schon auch mal zu kurz, wenn da nicht die vielen Schwestern und Brüder gewesen wären, die unseren Eltern zur Seite gestanden hätten. Meinen Eltern war es wichtig, dass sie ihr Tätigkeitsfeld in einer lebendigen Gemeinde hatten, der sie bei der Neuorientierung nach 1945 beistehen konnten. Der Dienst an und in einer Gemeinde war es, was meinen Vater seit seinem Theologiestudium prägte und was er als besonders bereichernd in Moosburg erleben durfte. Es war für ihn eine wichtige Zeit, wenn nicht sogar die wichtigste seines Lebens, wie er uns Kindern immer wieder sagte, wenngleich ich dies als Kind nicht verstehen konnte. Wichtig war für ihn die Chance gewesen, die Soldaten in ihrer äußeren und inneren Zerrüttung wieder zu sich selbst führen zu können und zu einer Versöhnung mit ihrem Gott. Dabei unterschied er nicht so sehr danach, wer denn nun wie real schuldig geworden war. Er fühlte sich nicht als Ankläger, ja noch nicht einmal als Opfer, das Richten überließ er dem, der den Überblick in den verworrenen Zeiten hatte. Für meinen Vater ging es darum, das wichtige Gut der Kirche in schwierigster Not anzubieten: Das Wort, in Form der Predigt, die Buße als individuelle Einsicht in das Getane und Unterlassene und das Sakrament des Abendmahls zur Heilung und Aussöhnung. Und dennoch gab es auch in Moosburg einiges, was ihm schwer auf dem Herzen lag und was in den Briefen an meine Mutter dokumentiert ist. Da war zunächst die Sorge und die Sehnsucht nach Frau und Kindern, wie sie wohl viele hatten. Aber auch die Frage, warum denn die sich neu organisierende Kirche nichts tat, um ihn aus dem Lager frei zu bekommen. Seine juristische Lage als Mitglied des Widerstandes war ja nun eindeutig. Und dann der Kummer darüber, dass die bayrische Landeskirche die Lagergemeinde so lange nicht unterstützte, während von Seiten der katholischen Kirche die katholische Gemeinde gesehen und gefördert wurde. Besonders aber trieb ihn um, wie das Stuttgarter Schuldbekenntnis, in dem eine Kollektivschuld anerkannt wurde, den Männern um ihn herum verständlich gemacht werden sollte. Schließlich wussten nur wenige 1945/46 von dem ganzen schrecklichen Ausmaß des Holocaust. Und ob die Anerkennung der Kollektivschuld die Auseinandersetzung mit der Individualschuld nicht eher hemmen als fördern würde, war nicht einzuschätzen. Mir ist es nun ein Anliegen, meinen Vater selbst zu Wort kommen zu lassen. Zunächst in einer Abschrift seiner Einleitung des Büchleins: „Freiheit der Gefangenen“. Dann aber auch in einer Abschrift eines Vortrages, den er in Moosburg im September 1945 gehalten hat zum Thema: Sünde und Erlösung. Mein Vater leitete nicht nur regelmäßig Abendmahlsgottesdienste, Bibelarbeiten und verschiedene Arbeitsgruppen in der Lagergemeinde. Er gestaltete mit vielen anderen Moosburger Brüdern ein reges kirchlich-kulturelles Leben. Dies alles ist dokumentiert in dem Büchlein: „Christus unter Internierten“ von Klaus von Eickstedt. Es kann über einen link ebenfalls eingesehen werden. Über Rückmeldungen freue ich mich: Bettina Rott Quellen:
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