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Internierungslager: Die Evangelische Lagergemeinde


Inhalt

Quelle:
Klaus von Eickstedt: Christus unter Internierten. Neuendettelsau: Freimund-Verlag 1948.

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des © Freimund-Verlags.

Christus unter Internierten

von Dr. Klaus von Eickstedt

Hinter Stacheldraht geführt

Nach der Kapitulation wurden aus allen militärischen Entlassungslagern und Ortschaften der amerikanischen Besatzungszone täglich Tausende politischer Gefangener in verschiedene Internierungslager hinter Stacheldraht gebracht. Daß auch ich, der ich als Major d. Res. in einem höheren Stabe in Südbayern gefangen genommen wurde, dieses Schicksal erfahren würde, hatte ich mir allerdings nicht träumen lassen. Ich wurde allerdings bei der „Entlassung“ eines Besseren belehrt! Denn ich erfuhr bei dieser Gelegenheit, daß die amerikanische Besatzungsmacht alle höheren Beamten, vom „Rat“ aufwärts, zu internieren befohlen hatte. Unter diesen „automatic arrest“ fiel auch ich, obwohl eine politische Belastung, die nach den erlassenen Bestimmungen eine Internierung vorsah, nicht vorlag. Ich hatte aber das Pech, „Oberlandwirtschaftsrat a. D.“ zu sein. So wurde ich nun mit vielen anderen Häftlingen im Juni 1945 aus dem Lager Fürstenfeldbruck im Lastwagen nach Moosburg bei Freising gebracht. Damals meinten wir noch, daß eine solche Haft nur von kurzer Dauer sein werde, weil wir des Glaubens waren, daß eine baldige Vernehmung unsere „Unschuld“ zutage bringen würde. Diese Vernehmungen ließen aber viele Monate auf sich warten, bei mir dauerte es sechzehn Monate, bis ich vernommen und entlassen wurde.

Dieses „Civil Internment Camp 6“ bestand aus zehn wiederum mit Stacheldraht eingefriedeten Einzelblocks von etwa acht bis zehn Baracken. Sie hatten einst den von Deutschland gemachten Kriegsgefangenen als Unterkunft gedient, nun aber waren sie, wohl in der übergroßen Freude über ihre Befreiung so demoliert und verwüstet worden, daß weder Fenster noch Dächer noch Fußböden heil geblieben waren., ganz abgesehen davon, daß alles, was nicht niet- und nagelfest war, wie Tische, Stühle und sonstiges Gerät entfernt war. Unser Einzug vollzog sich so, daß zunächst alle Häftlinge einige Tage außerhalb des eigentlichen Lagers übernachten mußten und alsdann durch eine Wellblechbaracke wie durch einen engen Darm an verschiedenen Tischen vorbei durchgeschleust wurden. Dies diente dem Zwecke, uns alle Wertsachen, Gebrauchsgegenstände, Papiere, Bilder, Bücher und dergl. selbstverständlich auch alle Rangabzeichen, Orden und Ehrenzeichen abzunehmen. Als Gegengabe empfingen wir eine mehr oder weniger verrostete Blechgabel, einen Löffel und ein „Handtuch“ in Größe eines kleinen Taschentuches. Die meisten Häftlinge, in der Regel die, die Kriegsgefangene waren, wurden ohne jedes Gepäck eingeliefert, hatten also nur das mit, was sie gerade auf dem Leibe trugen. Der Ordnung halber sei erwähnt, daß wir selbstverständlich „entlaust“ wurden, indem wir mit Wolken weißen Staubes bepustet wurden, ein Vorgang, dessen Notwendigkeit wir später nicht gebührend würdigen konnten, weil sich sofort nach unserer Einlieferung, spätestens in der ersten Nacht Millionenheere beutegieriger und blutdürstiger Tierchen auf uns stürzten, deren Bekanntschaft wir früher doch nur selten und dann nur für kurze Zeit gemacht hatten. Unsere Behandlung bei der Durchschleusung war alles andere als herzlich. Sie brachte für manchen Kameraden auch Demütigungen und Erniedrigungen.

Von den etwa 12 000 Internierten des Moosburger Lagers waren rund zwei Drittel politische Funktionäre der verschiedensten Grade vom Kreisleiter und Kreisamtsleiter der NSDAP abwärts bis zu jenen kleinen Block- und Zellenwarten, Kassenführer der NSV und sonstigen Amtsträgern der Partei und ihren Gliederungen gewesen, sie waren meist in ihren Heimatorten verhaftet worden. dazu kamen Angehörige der SS, des SD, der Gestapo, deren man habhaft geworden war, sowie 3-400 Frauen, unter ihnen auch werdende Mütter, die irgendwo in der Partei Dienst getan hatten. Ohne Bedenken hatte man Amputierte, ja Doppelamputierte und über 70jährige Funktionäre in das Lager eingeliefert. Aus dem militärischen Bereich befanden sich im Lager 37 Generäle und zahlreiche Generalstabsoffiziere, alsdann Angehörige der Nachrichtentruppen, der Geheimen Feldpolizei und der „Abwehr“, (Dienststelle des von der Gestapo ermordeten Admirals Canaris). Schließlich bildeten das letzte Drittel die „Höheren Beamten“, die unserem Lager ein besonderes Gepräge gaben.

Schon im Vorlager trafen sich alte Freunde und Bekannte, die nun gemeinsam ihren Einzug in das Lager hielten. Die Gruppe, zu der ich gehörte, rückte schließlich nachts in den Block IV, Baracke 6, ein. Unsre trübsinnigen Gedanken fanden eine jähe Unterbrechung, denn der vor mir gehende Kamerad, ein „Landgerichtsdirektor“ verschwand plötzlich vom Erdboden! Unser Schreck war groß, unsere Freude größer, als er unbeschädigt aus einem Loch herauskroch. Dieser oben und unten löcherige Raum sollte unsere Behausung werden! Um die 120 Mann in dem zugewiesenen Raum unterbringen zu können, waren je 3 Bettstellen übereinander gesetzt. Die besseren älteren Herren bekamen die Mittellager, aber mit der ersehnten Ruhe war es nichts. Denn diese Bettgestelle enthielten weder Matratzen noch Strohsäcke, sondern lediglich einige gekreuzte Drähte. Als man sich hineinlegte, merkte man bald, wie diese Drähte ins Fleisch schnitten, und so zog man es vor, den vertrauten Fußboden wieder als Lagerstatt zu nehmen. Nun aber stürzten sich beutegierige Wanzen auf die langentbehrte Beute. Diesen Quälgeistern und Feinden der Menschheit sind selbst die Amerikaner mit ihren neuesten Waffen nicht Herr geworden, selbst die Anwendung von Gas brachte ihnen nicht den völligen Sieg über diesen verhaßten Gegner.



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