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Internierungslager: Die Evangelische Lagergemeinde


Inhalt

Quelle:
Klaus von Eickstedt: Christus unter Internierten. Neuendettelsau: Freimund-Verlag 1948.

Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung des © Freimund-Verlags.

Christus unter Internierten

von Dr. Klaus von Eickstedt

Gemeinde bis zur Auflösung des Lagers (Dezember 1947)

Das Protokollbuch der Kirchenratssitzung, das bis zur Auflösung des Lagers Weihnachten 1947 mit großer Treue geführt worden ist, zeigt deutlich, wie das Pflänzchen, das gepflanzt zu einem großen Baum gewachsen war, sorgsam gehegt und gepflegt worden ist. Man möchte gerne die eine oder andere Tatsache aus diesen denkwürdigen Aufzeichnungen einer breiteren Öffentlichkeit vorlegen. Doch diese Tatsachen enthalten ja im wesentlichen nichts grundsätzlich Neues, sondern zeugen von einer Spezialisierung und Verfeinerung oder methodischen Durcharbeit einzelner Zweige und Blüten an diesem Baum der Gemeinde. Davon wäre etwa zu erwähnen, daß auch das Evangelische Hilfswerk im Lager sich eine Einsatzgruppe geschaffen hatte, damit die verschiedenen Spenden aus dem Aus- und Inland für die Internierten sachgemäß verwaltet und gerecht verteilt werden konnten. Diese Stelle leitete unser Bruder Fritz Kutzenberger, einer der treuesten Mitarbeiter vom ersten Tage der Lagergemeinde an, und unermüdlicher Helfer durch seelsorgerisches Gespräch an vielen Kameraden. Diese diakonische Tätigkeit in der Gemeinde erforderte besonders viel Takt und Fingerspitzengefühl. Von dem Augenblicke an, als es erlaubt war, Pakete ins Lager zu schicken, wurden, wie es natürlich ist, die Mehrzahl unserer Kameraden, die aus Süddeutschland stammten, reichlich mit solchen Paketen versehen, während die Menge derer die aus dem Osten stammten und deren Familien vielleicht überhaupt noch nicht seßhaft geworden und zur Ruhe gekommen waren, völlig leer ausgingen. Auf diesem Gebiete des gegenseitigen Schenkens und Abgebens konnte sich wahre Nächstenliebe in unserer Gemeinde praktisch zeigen und bewähren. Es darf nicht verschwiegen werden, daß wir hinsichtlich dieser Seite des menschlichen Zusammenlebens, das unter dem Zeichen der Entbehrung und des Hungers stand, im Lager aber auch traurige Beobachtungen machen und große Enttäuschungen erleben mußten.

Das Hilfswerk im Lager konnte nun manche Härten ausgleichen und die Kameraden nicht nur mit Lebensmitteln, Kleidern und sonstigen Bedarfsartikeln ausstatten, sondern auch für ihr geistiges Wohl sorgen. Diesem Zwecke diente eine von der Lagergemeinde errichtete Bibliothek, die allmählich aus reichlich fließenden Spenden des In- und Auslandes gebildet worden war.

Eine Vertiefung des gottesdienstlichen Lebens wurde darin gesucht und gefunden, daß im letzten Halbjahr 1947 die Lagergemeinde von Zeit zu Zeit „Gebetswochen“ ansetzte. Die Aufzeichnung eines Kameraden in seinem Tagebuche vermittelt ein Bild davon, wie eine solche „Gebetswoche“ gestaltet wurde. Die Aufzeichnung lautet:

28. September 1947

Sonntag: Predigt Ap.-Gesch. 4,5-12 Petrus und Johannes vor dem Hohen Rat.
Schon die Vorlesung des Textes war ein Erlebnis.
Höhepunkt: „Und ist in keinem anderen Heil, ist auch kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, darin sie sollen selig werden.“
Haben wir den Mut, uns auch später zu Christus zu bekennen? Und daß wir wissen, daß ein Neues nur mit dem Gekreuzigten begonnen werden kann.
Der Schluß: „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“. Großer Eindruck.
Abends wurde die Gebetswoche mit dem Thema „Lohnt es sich noch zu beten?“ eröffnet.

Montag: Gebet für die Gefangenen und Internierten Psalm 126 und Jerem. 29,11-14.
Höhepunkt: „Denn so Ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von Euch finden lassen und will Euer Gefängnis wenden und will Euch wiederum an diesen Ort bringen, von dannen ich Euch habe lassen wegführen.“

Dienstag: für die Familie Psalm 127 und 128, 1. Chronika 17,25-27.
Höhepunkt: „Nun hebe an zu segnen, denn was Du Herr segnest, das ist gesegnet ewiglich.“

Mittwoch: für die Flüchtlinge Psalm 23, Joh. 14,1-3.
Höhepunkt: „Euer Herz erschrecke nicht. Glaubet an Gott und glaubet an mich. Flüchtling von Gottes Gnaden.

Donnerstag: für die Kirche Psalm 84, Eph. 4,11-16. Der Vorwurf, die Kirche hat mich verlassen.
Höhepunkt: „Die Gemeinschaft des Leibes Christi.“

Freitag: für das Volk Psalm 90, 2. Mose 6,2-8.
Höhepunkt: „Ich will Euch ausführen von Euren Lasten und will Euch erretten von Euren Frönen und will Euch erlösen durch einen ausgereckten Arm und große Gerichte.“

Samstag: für den Frieden Psalm 121, Matth. 6,13.
Höhepunkt: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. Ja, Amen, Amen, d.h. so geschehe es!“
Gott hat sich sichtbar zu dieser Gebetswoche bekannt, am Donnerstag waren es 123 Abendmahlsgäste und in dieser Woche begannen die Entlassungen der Nichtnürnberger mit 420 Mann.

Damit neigt sich unser Bericht über das Werden und Wachsen unserer Lagergemeinde seinem Ende zu. Als Abschluß wollen wir die letzten Eintragungen aus dem oben erwähnten Tagebuch hier für sich wirken lassen, die unter dem Eindruck der bevorstehenden Entlassung und Schließung des Lagers niedergeschrieben wurden. Es heißt dort:

9. November 1947

„Heute Predigt über Joh. 10,12 15. Ich bin der gute Hirte.
Höhepunkt: „Christus steht am Tor, mit wem wollen wir unseren Weg fortsetzen?“
Besonders im Hinblick auf die kommende Verlegung des Lagers nach Dachau. In der kommenden Woche wird nun die Moosburger Gemeinde aufhören zu existieren. Ein denkwürdiger Augenblick. Nun gilt es Abschied zu nehmen von lieben Brüdern und dem Kirchlein, das uns allen ans Herz gewachsen ist. Wohin werden wir nun geführt und zu welchen Aufgaben? Der Herr hat es in seinen Händen.

12. November 1947

Heute abend war nun das letzte Abendmahl der Moosburger Gemeinde. Pfarrer Glenk gab uns den Spruch Röm. 8,28: „Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“

Die Wahrheit dieser Worte können wir heute, in der Rückschau, mit vollem Herzen bestätigen. Alle die Not, der Hunger und die Entbehrungen und Sorgen haben dazu gedient, uns erkennen zu lassen, wo wirklich Hilfe ist. Was durften wir in den fast 1 ½ Jahren für Trost und Hilfe erfahren, was wurde uns durch das wöchentliche Abendmahl geschenkt und wie durften die Brüder im Worte Gottes wachsen. Es ist so, wie Pfarrer Glenk in seinen letzten Worten bekannte, daß sich Gott zu dieser Lagergemeinde bekannt hat und hier eben eine Gemeinde war, die draußen in der Freiheit noch nicht zu finden ist. Das Geheimnis der Moosburger Lagergemeinde, der tragende Grund, war Gebet, Gottes Wort und Sakrament, und hieraus ist in treuer Fürbitte und Arbeit die Bruderschaft entstanden, die unserer Kirche so dringend not tut. Wir konnten es erleben, daß Gott auch heute noch zu seinen Verheißungen steht, wenn wir seinem Worte gläubig trauen. Das soll uns die Kraft geben, nun an das Werk der Aufrichtung von betenden, gläubigen Männergemeinden zu gehen. Wenn wir im Glauben und in Treue dieses Werk angreifen, dann dürfen wir heute schon wissen, daß hier die Hilfe Gottes für unser Volk und für die Christenheit beschlossen liegt. Aus all dem Bösen und der Ungerechtigkeit, Not und Tod der vergangenen Zeit, schenkt uns Gott neuen Glauben, neues Leben aus dem Glauben. Der Gerechte wird seines Glaubens leben und wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.

Damit schließe ich, mit Dank gegen Gott für seine treue Führung, diese Aufzeichnungen.

Amen.



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