Moosburg Online: www.moosburg.org Stalag VII A
Stalag VII A: Sowjetische Kriegsgefangene

* Die Aussonderung und Erschießung sowjetischer Kriegsgefangener

Die Soldaten der Roten Armee wurde im Stalag VII A anders behandelt als ihre alliierten Mitgefangenen. Das belegt nicht nur ihr überproportional hoher Anteil an den Toten, die auf dem Lagerfriedhof in Oberreit bestattet wurden: über 80 Prozent der im Stalag gestorbenen Gefangenen waren demnach Sowjetrussen, obwohl sie im Lager selbst durchschnittlich nur etwa 18 Prozent ausmachten. Hunger, Kälte und Entkräftung dürften die Hauptursachen gewesen sein.

Aber es ging noch weiter: Aufgrund des sog. "Kommissarbefehls" ordnete das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) an, aus den sowjetischen Kriegsgefangenen "unerwünschte Elemente" auszusondern, denen man "bolschewistische Betätigung" unterstellte, v.a. Politoffiziere (Kommissare) oder auch Juden. Die Aussonderungen wurden von der Gestapo und vom Sicherheitsdienst (SD) des Reichsführers SS vorgenommen, aber die Offiziere der Lagerleitung waren angewiesen, sie dabei zu unterstützen. Zwar versuchten Oberst Nepf, Major Meinel und Hauptmann H. in Moosburg, zumindest durch "passiven Widerstand" diese Maßnamen zu hintertreiben, dennoch wurden Hunderte sowjetischer Kriegsgefangener im Stalag VII A und seinen Außenkommandos aussortiert, mißhandelt, in verschiedene Konzentrationslager (u.a. Dachau, Buchenwald und Mauthausen) transportiert und dort mit Genickschuß umgebracht. Insgesamt wird die Zahl der in deutscher Gefangenschaft ermordeten Rotarmisten auf 200 000 geschätzt.

In seinem Buch Sowjetische Gefangene in Hitlers Vernichtungskrieg, Berichte und Dokumente 1939-1945 (Heidelberg: C. F. Müller Juristischer Verlag 1982, S. 36-38, 45, 103-107), geht Alfred Streim auch ausführlich auf die Vorgänge im Stalag VII A in Moosburg ein:

Als notwendige Folge dieser Maßnahme hielt das OKW (AWA/Kriegsgef.Allg.) die Neufassung der Vorschriften über die Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener für erforderlich. Unter Aufhebung der "Anordnungen" vom 8. September 1941 und eines Zusatzbefehls vom 22. November 1941 wurden die neuen Richtlinien am 24. März 1942 herausgegeben.

Nach Aufbau und Inhalt entsprachen sie im wesentlichen den Anordnungen vom 8. September 1941: Den zum Teil auf die veränderte Situation, den Arbeitseinsatz, abgestellten Einzelbestimmungen waren allgemeine Verhaltensgrundsätze gegenüber den Gefangenen vorangestellt, die sich an die "Absichtserklärungen" bereits ergangener Erlasse anlehnten. Neu war, daß sich die Aussonderungen durch die Einsatzkommandos des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD nicht mehr allein auf die Kriegsgefangenenlager zu erstrecken hatten, sondern auch auf die außerhalb der Lager in der Nähe der Arbeitsplätze stationierten Kriegsgefangenen-Arbeitskommandos. Soweit ersichtlich, war diese Maßnahme nicht Gegenstand der Besprechung am 5. Dezember 1941 im OKW. Anstoß zu dieser Regelung dürfte vielmehr nachträglich das RSHA gegeben haben. Ohne Benachrichtigung der Wehrmacht hatte der Amtschef IV/RSHA bereits mit Erlaß vom 27. August 1941 die Überprüfung auch der Arbeitskommandos angeordnet, nachdem sich herausgestellt hatte, daß sowjetische Kriegsgefangene ohne Sichtung aus dem Generalgouvernement und dem Wehrkreis I (Ostpreußen) in das Innere des Reichsgebiets verlegt und sofort auf Arbeitskommandos verteilt worden waren. Mangels eines entsprechenden Befehls ließen die Angehörigen des Kriegsgefangenenwesens nur teilweise die Überprüfung der Arbeitskommandos zu; vereinzelt verweigerten sie in aller Öffentlichkeit die Zustimmung zur Aufnahme der Tätigkeit der Aussonderungseinheiten des SD [ 10 ] in den Arbeitskommandos. Es kam auch vor, daß Offiziere des Kriegsgefangenenwesens versuchten, schon ausgesonderte Gefangene in neu aufgestellten, dem SD nicht bekannten Arbeitskommandos zu verbergen. So entdeckte zum Beispiel zufällig ein Beamter der Stapoleitstelle München ungefähr einen Monat nach der Bekanntgabe des Erlasses vom 27. August 1941, daß wiederum eine größere Anzahl sowjetischer Kriegsgefangener aus dem Wehrkreis IV (Dresden) in den Wehrkreis VII (München) abgeschoben und auf Arbeitskommandos des Stalags VII A in Moosburg verteilt worden war, ohne daß vorher eine Aussonderung stattgefunden hätte. Bei den anschließenden Überprüfungen verweigerten maßgebende Offiziere des Kriegsgefangenenwesens im Wehrkreis VII - u. a. der Kommandeur der Kriegsgefangenen, Generalmajor Otto Ritter von Saur, sein Referent für den Arbeitseinsatz der Kriegsgefangenen, Major Karl August Meinel, der Kommandant des Stalags VII A, Oberst Hans Nepf, und der Abwehroffizier des Lagers, Hauptmann Wilhelm H. - die Zusammenarbeit mit den Angehörigen des Einsatzkommandos der Stapoleitstelle München, lehnten nach Bekanntwerden des Schicksals der Gefangenen deren Herausgabe ab und waren bemüht, sie durch Unterbringung in neu aufgestellten Arbeitskommandos dem endgültigen Zugriff der Stapo zu entziehen. Es liegt auf der Hand, daß das Verhalten der Of iziere zu Protesten des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD beim OKW führte, das hieraufhin wird nicht umhin haben können, entsprechend zu reagieren.

Das Verhalten der Offiziere dürfte im übrigen nicht nur zur Ausdehnung der Überprüfung auf die Arbeitskommandos beigetragen haben, sondern auch zur Überarbeitung der Vorschriften bezüglich der Herausgabe der ausgesonderten Gefangenen. Während es in den "Anordnungen" vom 8. September 1941 insoweit an Klarheit fehlte [ 11 ], fand sich in dem Erlaß vom 24. März 1942 nunmehr eine hinreichend ausführliche und unmißverständliche Regelung. [ 12 ]

Mit der neuen Bestimmung über die Ausdehnung der Überprüfungen auf die Arbeitskommandos und der eindeutigen Fassung der Vorschriften über die Herausgabe der Gefangenen hatte das OKW dem SD Schwierigkeiten aus dem Wege geräumt, die bei einem Weiterbestehen den reibungslosen Ablauf der Aussonderungsaktionen zumindest im Wehrkreis VII infrage gestellt hätten, wenn nicht im gesamten Reichsgebiet, zumal sich auch bereits im Wehrkreis XIII (Nürnberg) ein Bataillonskommandeur offen gegen die Maßnahmen des dort tätigen Einsatzkommandos "Regensburg" gewandt hatte und Kommandanten von Kriegsgefangenenlagern in weiteren Wehrkreisen passiven Widerstand gegen die Überprüfung der sowjetischen Gefangenen durch den SD leisteten.

Unterstrichen wird diese Feststellung durch die Aussagen einiger oben bereits erwähnter Offiziere und eines Sonderführers (Dolmetschers) des Kriegsgefangenenwesens im Wehrkreis VII nach dem Kriege in Verfahren gegen den ehemaligen HSSPF [Höheren SS- und Polizeiführer] in den Wehrkreisen VII und XIII, Karl Friedrich Freiherr von E., und frühere Angehörige der Stapoleitstelle München sowie Angehörige der Stapoleitstelle Nürnberg-Fürth u. a. wegen Beihilfe zum Mord (Beteiligung an den zum Zweck der physischen Vernichtung durchgeführten Aussonderungen), wobei die noch vorhandenen Akten der Stapo mit den Beschwerden über das Verhalten der Offiziere das Bild der damaligen Vorgänge - insbesondere auch der Aussonderungsaktionen an sich - vervollständigen. [ 13 ]

An dieser Stelle gibt Alfred Streim die Aussagen zweier Offiziere über die Aussonderungen im Stalag VII A wieder:
Wenn auch der Widerstand der Offiziere gegen die Aussonderungsaktion im Ergebnis erfolglos gewesen ist, dürfte deren Verhalten das OKW doch nachdenklich gestimmt haben. Während die "Anordnungen zur Behandlung sowjetischer Kriegsgefangener" vom 8. September 1941 den Kommandanten der Kriegsgefangenenlager und deren Abwehroffizieren die Zusammenarbeit mit den Einsatzkommandos bei den Überprüfungen ausdrücklich als "Pflicht" auferlegten, stellte der Erlaß vom 24. März 1942 lediglich fest, daß die Einsatzkommandos "auf engste Zusammenarbeit" mit den Kommandanten und deren Abwehroffizieren angewiesen seien. Mit dieser Regelung hatte das OKW verhindert, daß gegen Offiziere, die sich bei den Überprüfungen passiv verhielten, ein Verfahren wegen Verstoßes gegen die Pflichten der militärischen Unterordnung (§§ 89ff. Militärstrafgesetzbuch) einzuleiten war. Offen muß allerdings mangels hinreichender Erkenntnisse die Frage bleiben, ob die neue Regelung vom OKW aus Fürsorge gegenüber Untergebenen getroffen worden ist oder ob sie nur eingeführt wurde, um bei künftigen Beschwerden des SD über mangelnde Zusammenarbeit zwischen Einsatzkommandos und Führungspersonal der Kriegsgefangenenlager bei den Überprüfungen der sowjetischen Kriegsgefangenen auf die Eigenverantwortlichkeit der Kommandanten und deren Abwehroffiziere hinweisen zu können. [...]

Nach allem brachte es der Chef der Sicherheitspolizei und des SD schließlich fertig, daß ihm die Überprüfungen sowjetischer Kriegsgefangener auf "unerwünschte Elemente" wieder übertragen wurden. Mit Erlaß vorn 27. September 1943 teilte das OKW (Chef Kriegsgef.Allg.) den Wehrkreiskommandos und den in deren Bereich befindlichen Stalags mit, daß sich in Zukunft die Kriegsgefangenenlager beim Eintreffen von Transporten sowjetischer Gefangener aus dem Operationsgebiet und den besetzten Gebieten wieder mit der Geheimen Staatspolizei "zwecks sicherheitspolizeilicher Überprüfung" in Verbindung zu setzen hätten. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, daß ein "Arbeitseinsatz der sowjetischen Kriegsgefangenen jeweils erst nach solcher Überprüfung stattfinden darf". Damit waren die Aussonderungsmaßnahmen in allen Kriegsgefangenenlagern wieder in der Hand des SD. Hieran änderte sich auch nichts bis zum Kriegsende, zumal der SD auch weiterhin "Unzulänglichkeiten" bei den früheren Überprüfungen der Wehrmacht aufdeckte, mit denen er die Rückübertragung der Überprüfungen bei jeder Gelegenheit rechtfertigte. Insbesondere ist insoweit die Aufdeckung der B.S.W. (Bratskoje Sotrudnitschestwo Wojennpleniich = Brüderliche Vereinigung der Kriegsgefangenen) anzuführen. Die B.S.W. war eine Untergrundbewegung, die Ende 1942/Anfang 1943 in dem Arbeitskommando für sowjetische Offiziere "Schwanseestraße" in München von dem russischen Major Kondenko und dem Rotarmisten Petruschel gegründet wurde. Unmittelbar nach der Gründung stieß der bis 1941 bei dern NKWD (Anm.: Volkskommissariat für innere Angelegenheiten) in Dnjepropetrowsk als AbteilungsIeiter tätig gewesene und nach dem Angriff deutscher Truppen auf die Sowjetunion als Bataillonskommandeur zur Roten Armee eingezogene Josef Feldmann, alias Georgi Fessenko, zu ihnen. Feldmann war bei Uman in Gefangenschaft geraten, aus der er jedoch entfliehen konnte. Am 25. Mai 1942 wurde er von dem Beauftragten des Zentralkomitees der kommunistischen Partei, Orlow, angewiesen, sich als Zivilarbeiter für einen Arbeitseinsatz in Deutschland anwerben zu lassen und dort mit Hilfe der sowjetischen Kriegsgsgefangenen und Ostarbeiter eine Widerstandsgruppe aufzubauen. Feldmann folgte dieser Weisung und kam zunächst in das Durchgangslager für Ostarbeiter "Schwanseestraße" in München, wo er wegen guter deutscher Sprachkenntnisse als Dolmetscher verwendet wurde. Die Stellung behielt er bei, als man die Ostarbeiter in ein anderes Lager verlegte und in der Schwanseestraße ein Arbeitskommando mit sowjetischen Offizieren unterbrachte. Nach seinem Eintritt in die B.S.W. fertigte Feldmann in Zusammenarbeit mit Petruschel und nach Beratung mit verschiedenen kriegsgefangenen sowjetischen Offizieren das Programm der Gruppe an, dessen wesentlicher Inhalt folgende Punkte waren: Organisierung und Bewaffnung sämtlicher in Deutschland befindlicher Kriegsgefangener und ausländischer Arbeiter, gewaltsamer Sturz des nationalsozialistischen Regimes, Hilfeleistung für die Rote Armee bzw. für die zu erwartenden westlichen Invasionstruppen, Verübung von Sabotageakten u.a. Im Frühjahr 1943 übernahmen Feldmann und der Major Osolin die Leitung der Organisation. Sie bildeten zunächst ein Lagerkomitee. Auf Veranlassung dieses aus mehreren Offizieren bestehenden Komitees flüchteten bis Mitte Mai 1942 mindestens fünf sowjetische Offiziere aus dem Lager mit dem Auftrag, unter den Fremdarbeitern aller Nationen im Sinne des B.S.W.-Programms zu werben. In der Folgezeit bauten Osolin und Feldmann die Organisation innerhalb des Lagers weiter aus, unterrichteten Mitglieder der B.S.W. in Spionage und Sabotage, planten Sabotageakte sowie Aufstände, beschafften sich die ersten Waffen nnd traten während ihres Arbeitseinsatzes an Ostarbeiter mit der Aufforderung heran, der Organisation beizutreten. Durch Versetzungen von verschiedenen Mitgliedern der B.S.W. in andere Städte und freiwillige Meldungen als Hilfswillige zu der Flak, breitete sich die Organisation schnell aus, so daß bereits Ende Mai 1943 Ortskomitees in Karlsruhe, Heidelberg, Mannheim, Eppingen, Villingen, Baden-Baden, Ludwigsburg, Offenburg, Malchbach, Wiesenbach und Rastatt bestanden. Auch bei der Anwerbung der Ostarbeiter hatte die B.S.W. Erfolg. So waren schon bald nach der Gründung viele Ortskomitees entstanden. Das größte dürfte am Sitz der Organisation, in München, in's Leben gerufen worden sein. Unter Führung des Oberstleutnants Korbukow und des "Militärarztes" Winitschenko [ 51 ] waren dort bereits im Sommer 1943 in mindestens zwölf Ostarbeiterlagern Beauftragte der B.S.W. tätig. Der B.S.W. gelang es ferner, Verbindungen zu ähnlichen Organisationen in Wien, Innsbruck und Prag herzustellen, sowie in München Kontakte zu deutschen Kommunisten aufzunehmen, die im August 1943 die "Antinazistische Deutsche Volksfront (ADV)" gegründet hatten und ähnliche Ziele wie die B.S.W. verfolgten. Im Mai 1943 schien es, als wäre die B.S. W. aufgedeckt worden. Zu jener Zeit war der Lagerleitung des Arbeitskommandos "Schwanseestraße" ein Hinweis über das Bestehen einer Geheimorganisation unter den Kriegsgefangenen zugegangen. Vorbeugend versetzte man eine größere Anzahl der kriegsgefangenen Offiziere in das Hauptlager Stalag VII A (Moosburg) zurück. Unter den zurückversetzten Gefangenen befanden sich zufällig auch führende Leute des B.S.W., u. a. Osolin, Kondenko, der Militärarzt Starowoitow, Hauptmann Singer und Leutnant Mojsejew. Die Ermittlungen des Stalags VII A nach der Geheimorganisation verliefen jedoch erfolglos; die Kriegsgefangenen konnten durch lange vorher verabredete Aussagen den Verdacht der Konspiration im wesentlichen entkräften. Schon bald nach ihrer Einlieferung in das Stalag VII A wurden sie wieder einem Arbeitskommando in Dornach zugeteilt, wo sie sogleich ihre Untergrundtätigkeit wieder aufnahmen und mit Erfolg neue Mitglieder warben. Mit der Mitgliederwerbung wollte sich Osolin aber nicht begnügen; er drängte auf eine aktive Tätigkeit außerhalb des Lagers. Zusammen mit zwölf weiteren Offizieren flüchtete er daher Anfang JuIi 1943. Die Bemühungen der Offiziere waren jedoch vergeblich; schon einige Zeit nach der Flucht konnten sie ergriffen werden. Man lieferte sie wieder in das Stalag VII A ein, wo sie mit 21 Tagen "strengem Arrest" bestraft wurden. Nach Verbüßung der Strafe teilte man sie dem (Straf-) Arbeitskommando 3370 in Wildpoldsried zu. Dort setzten sie ihre Werbetätigkeit fort und gewannen innerhalb kurzer Zeit fünfzig neue Mitglieder für die B.S.W.

Zwischenzeitlich war es der Stapo gelungen, auf die Spur der B.S.W. zu kommen. Zunächst konnte sie unter den Ostarbeitern Mitglieder der Untergrundorganisation ermitteln und festnehmen. Nachdem der Umfang der B.S.W. bekannt geworden war, setzte das Reichssicherheitshauptamt eine Sonderkommission ein, die mit Hilfe von V-Leuten und sogenannter verschärfter Vernehmung [ 52 ] der bereits Festgenommenen die Organisation aufrollte. Ende Februar 1944 verhaftete die Stapo Osolin sowie weitere Offiziere in Wildpoldsried und am 8. März 1944 Feldmann. Anfang April 1944 nahm sie die übrigen Mitglieder der B.S.W. im (Straf-) Arbeitskommando Wildpoldsried fest. In den folgenden Wochen erfolgten Schlag auf Schlag Festnahmen von Angehörigen der B.S.W. in allen Teilen des Deutschen Reiches. Nahezu alle Festgenommenen überstellte die Stapo anfangs dem Konzentrationslager Dachau, [ 53 ] in dem sie durchweg getötet wurden. So fanden dort am 4. September 1944 neunzig Mitglieder der B.S.W. durch Erschießen den Tod, u.a. Kondenko, Korbukow, Mojsejew, Osolin, Petruschel, Singer und Winitschenko. Später wies man B.S.W. Angehörige auch in andere Konzentrationslager ein, hauptsächlich in das KL Mauthausen. Dort wurden am 7. Oktober 1944 in der Genickschußanlage über 30 weitere Mitglieder der B.S.W. erschossen, darunter der General der Roten Armee Boris Dworkin und der Leiter der B.S.W. im Lazarett für sowjetische Kriegsgefangene in Ebelsbach bei Nürnberg, Dr. Kononenko. Das Schwurgericht bei dem Landgericht in Hagen führte in seinem Urteil vom 24. Juli 1970 gegen Fassel und Roth, Aktz. 11 Ks 1/70, bezüglich der Tötung Dworkins aus:

"Am 7. Oktober 1944 sind auf Befehl Himmlers 38 vorwiegend russische Häftlinge, darunter auch ein am 24. Oktober 1904 geborener russischer General namens Boris Dworkin ... in der Genickschußanlage II getötet worden. Als Dworkin als letztes Opfer in die Genickschußanlage geführt wurde, ahnte er trotz der Tarnungsmaßnahmen, was ihm bevorstand. Er weigerte sich, sich zur Wand umzudrehen und erklärte dem Lagerkommandanten Ziereis in deutscher Sprache etwa sinngemäß, daß er Kriegsgefangener sei und keinen Grund dafür sehe, getötet zu werden. Bevor Ziereis ihn gleichwohl erschoß, antwortete er ihm noch, er, der General, habe sich schuldig gemacht und werde deshalb hingerichtet ..."

Die Stapoleitstelle München stellte in ihrem Bericht über "die Aufdeckung der B.S.W." abschließend fest:

"... Die Vernehmungen, Suchungen und Gegenüberstellungen führten nach und nach zur Festnahme von 383 Personen und der restlosen Aufdeckung des Umfanges dieser Organisation, die sicher in naher Zukunft ein für das Deutsche Reich gefährliches Ausmaß angenommen hätte."

Hierbei hob sie hervor:

"... Das hochverräterische Unternehmen unter den russischen Kriegsgefangenen wurde von der Führung des Stalag VII (A) in Moosburg vielleicht unbewußt(?) - dadurch gefördert, daß die der bolschewistischen Betätigung verdächtigen russischen Kriegsgefangenen, insbesondere aber die Juden und Offiziere, nicht entsprechend den ergangenen Erlassen des OKW unter Bekanntgabe der näheren Gründe der Geheimen Staatspolizei übergeben, sondern auf andere Kriegsgefangenenlager oder Arbeitskommandos verteilt worden sind. Die Lagerleitung ging hierbei wohl von der Annahme aus, dadurch die evtl. vorhandene Organisation zerschlagen zu können. Sie wurde jedoch gerade dadurch indirekt gefördert, denn nach den einwandfreien Feststellungen habe die Geheimorganisation sofort ihre Tätigkeit wieder in ihrem neuen Wirkungskreis mit Erfolg aufgenommen ..."

[ 10 ] Im Sprachgebrauch wurden die Aussonderungskommandos des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD als "SS-Kommandos, SD-Leute" oder nur mit "SD" bezeichnet, obwohl diese Bezeichnung sachlich nicht richtig ist. Die Kommandos wurden in der Regel von der Stapo gestellt.
[ 11 ] Nähere Angaben über die Herausgabe der Kr.Gef. an den SD fehlten, obwohl dieses erforderlich gewesen wäre. Die Übergabe der ausgesonderten Gefangenen stellte (rechtlich und tatsächlich) die Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft dar. Diese konnte nur durch eine formelle Entscheidung des OKW erfolgen. Aus den "Anordnungen" kann lediglich geschlossen werden, daß das OKW der Entlassung politisch-unerwünschter Personen vorab generell zugestimmt bzw. die Entscheidung über die Entlassung äuf den Lagerkommandanten delegiert hatte.
[ 12 ] "Die Herausgabe der (daraufhin) angeforderten sowjetischen Kriegsgefangenen wird von den Einsatzkommandos bei den Stalags beantragt. Die Zustimmung des Chefs der Sicherheitspolizei u.d.SD, Berlin, ist dem Lagerkommandanten vorzulegen. Dem Ersuchen auf Herausgabe ist alsdann zu entsprechen."
[ 13 ] Vorgang der Stapoleitstelle München: "II A Russische Kriegsgefangene, Schriftwechsel über die Beschwerde des Majors Meinel und des Kommandeurs der Kriegsgefangenen im Wehrkreis VII" (Dok. 17R R, in IMT, III Bd. XXXVIII, S. 419f.). Vgl. hierzu Streim, a.a.0., S. 59-68.
[ 51 ] W. war Biologe und arbeitete nach seiner Gefangennahme im Lazarett des Lagers Nr. 25 für Ostarbeiter. Er wurde als Arzt angesehen.
[ 52 ] Grundlage für die Anwendung war der (Geheim-)Erlaß des Chefs der Sicherheitspolizei u.d.SD vom 1. 7. 1937 (nicht mehr vorhanden), später ersetzt durch den Erlaß vom 12. 6. 1942. Die Verschärfung konnte "je nach Sachlage" u. a. bestehen in einfachster Verpflegung (Wasser und Brot), hartem Lager, Dunkelzelle, Schlafentzug, Ermüdungsübungen und Stockhieben, wobei bei mehr als 20 Stockhieben ein Arzt beizuziehen war.
[ 53 ] Die Ostarbeiterinnen kamen in das KL Auschwitz.

* Quelle:

  • Alfred Streim: Sowjetische Gefangene in Hitlers Vernichtungskrieg. Berichte und Dokumente 1939-1945. Heidelberg: C. F. Müller Juristischer Verlag 1982, S. 36-38, 45, 103-107.

    Weitere Auszüge:
    Zeitzeuge Wilhelm H.
    Zeitzeuge Meinel

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