50 Jahre Kindergarten St. Pius |
Mit Frau Hedwig Stubner kam in den Caritaskindergarten, wie er damals noch hieß, eine richtige Kindergärtnerin. Sie hatte ihre Ausbildung in Troppau in der "Lehranstalt für Kindergärtnerinnen" bekommen. Im dortigen Anstalts-kindergarten hat sie hospitiert und ihre praktischen Übungen mit einer kleinen Zahl von Kindern gemacht. Zu ihrem Leidwesen mußte sie in Moosburg etwas anders arbeiten, denn hier hatte sie über 60 Kinder, zum größten Teil allein, in einem Raum zu betreuen. Frau Walter und auch ihre eigene Mutter unterstützen sie dabei in den ersten Jahren tatkräftig. Später half ihr bei der Betreuung der vielen Kinder Frau Anni Obermeier.
Für die Betreuung mußten die Eltern 2,-- DM pro Monat Beitrag leisten.
Wie sah nun der Raum aus, in dem Frau Stubner die ihr anvertrauten Kinder beaufsichtigte?
Der Haupteingang zum Kindergarten war der jetzige Gartenausgang der Gruppen 1 und 2. Der Kindergarten selbst bestand aus einem einzigen Raum. Es war das Zimmer, in dem momentan die Gruppe 1 untergebracht ist. Damals gehörte jedoch die Garderobe noch zum Gruppenraum. Die Jacken und Mäntel der Kinder wurden an eine Leiste, die links neben der Eingangstür angebracht war, aufgehängt.
3 verschiedene Betonarten bildeten den Fußboden. Einer war waffelartig ausgestaltet. Immer wenn die Kinder sehr viel Feuchtigkeit mit in den Raum brachten, lösten sich Verschmutzungen, die sich in den Vertiefungen abgesetzt hatten und erzeugten einen fürchterlichen Geruch, so daß bald der ganze Beton geglättet werden mußte.
Die sanitäre Anlage bestand aus 3 Toiletten, von denen eine vom Lebensmittelgeschäft Kaes mitbenutzt wurde. Händewaschen konnte man sich an einer Waschrinne.
Die schlichte Einrichtung, Holztische und Holzbänke, hatten Königsberger Schreiner hergestellt. Ihre Qualität war so gut, daß sie bis in die 80 ger Jahre noch als Gartenmöbel genutzt wurden. Der Schrank hatte viele Schubladen, das Mittelstück war im oberen Bereich als Vitrine gemacht. Der offene Kamin, Überbleibsel aus der amerikanischen Phase der Baracke, wurde zweckentfremdet und diente in der Weihnachtszeit als Krippe.
Spielmaterial gab es am Anfang noch sehr wenig. Moosburger Schreiner hatten Holzklötze für die Kinder hergerichtet. Außerdem gab es Holzsteckbausteine, später dann Fröbelmaterial und Plastilin. Nur langsam wurde das Spielzeug mehr.
Der Kindergarten war täglich von 8.00 - 12.00 und von 13.00 - 17.00 Uhr geöffnet, samstags von 8.00 - 12.00 Uhr.
Nur während der 14 Tage Jahresurlaub von Frau Stubner war, während der ersten Kindergartenjahre, der Kindergarten geschlossen. Es gab keine Weihnachts-, Oster- und große Ferien.
Wie sah nun so ein Tag im Kindergarten aus?
Von 8.00 - 9.30 Uhr war Freispiel angesagt. Das war damals aber noch anders als heute. Die Kinder mußten sich nämlich eine Schale mit Spielmaterial bei Frau Stubner holen und dann damit am Tisch spielen. Herumlaufen und laut sein war nicht erlaubt. Hatten die Kinder etwas Schönes aus Plastilin gestaltet, durften sie es Frau Stubner bringen und sie stellte die Kunstwerke in der Vitrine aus.
Um 9.30 läutete dann die Tischglocke, Zeichen dafür, daß die Freispielzeit beendet war. Jetzt hielten die Kinder gemeinsam Brotzeit. Dazu wurden von Tante Hedi, wie sie genannt wurde, oder einem Kind jedem ein grüner Bakelitteller gegeben. Darauf wurde die mitgebrachte Brotzeit ausgebreitet und leise verzehrt. Sicher wurde vorher ein Tischgebet gesprochen. Ungefähr eine halbe Stunde dauerte die Vesper.
Anschließend daran wurde gemeinsam auf die Toilette gegangen. Während des Vormittages durfte man nur mit ausdrücklicher Erlaubnis auf die Toilette gehen. Jetzt wurden auch die Hände an der Waschrinne gewaschen. Frau Stubner spülte währenddessen in einer Schüssel alle Teller.
Wieder im Zimmer war jetzt für alle Kinder eine gemeinsame Beschäftigung vorgesehen. Es wurden Lieder, Gedichte und Fingerspiele gelernt. Auch Kreisspiele waren bei den Kindern sehr beliebt, denn dabei konnte man sich wenigstens bewegen. Frau Stubner erzählte auch gerne Märchen. Später schaffte sie wunderschöne Hohensteiner Kasperlfiguren an. Sie wurden aber sicher nicht von den Kindern genutzt, denn es gibt sie heute noch im Kindergarten.
Am Freitag hielt Frau Stubner immer eine religiöse Unterweisung ab.
Waren Bastelarbeiten wie Zeichnen, Schneiden, Reißen oder Falten geplant, so wurde dies vor allem mit den Schulkindern und in kleinen Gruppen gemacht. Ein wichtiges Ziel in der Kindergartenarbeit war nämlich die Erreichung der Schulfähigkeit. Sie wurde definiert mit Disziplin, Handfertigkeit und Merkfähigkeit.
Um 11.00 Uhr waren die Beschäftigungen beendet. Die Kinder stellten sich vor dem Kreuz auf und beteten miteinander. Dann zogen sie sich zum Nachhause gehen an.
Ein großer Teil der Kinder kam dann am Nachmittag wieder. In der Regel gingen jetzt alle miteinander spazieren. Im Sommer hielten sich die Kinder gerne am Sandkasten auf. Wenn das Wetter schlecht war, verlief der Nachmittag so wie der Vormittag: erst gab es Freispiel, dann Brotzeit, anschließend daran Kreisspiel.
Regelmäßig alle 4 Wochen hielt Frau Stubner einen Mütterabend ab. Dabei wurde erst etwas vorgelesen und dann vorgebrachte Fragen beantwortet.
Für die Eltern gab es auch immer wieder Vorführungen im Kindergarten. So wurden sie zum Sommerfest eingeladen. Auch Nikolaus und Weihnachten wurde mit den Eltern gefeiert. Schon im Herbst begannen die Proben für das Weihnachtsspiel. Wer von den Kindern eine Rolle bekam, fühlte sich natürlich sehr geehrt. Ob das viele Proben aber dann Spaß machte?
Die anderen Feste im Jahreskreis, wie z. B. Kirchweih und Fasching feierten die Kinder miteinander. Fasching wurde gleich zweimal gefeiert, am unsinnigen Donnerstag mit Würsteln und Semmeln, am Rosenmontag mit Krapfen und Kakao. Wenn es im Kindergarten etwas zum Trinken gab, mußten sich die Kinder ein Trinkgefäß von zu Hause mitbringen.
So wie sich Frau Stubner im Kindergarten mit besten Kräften den Kindern widmete, so auch im privaten Bereich. Sie war vom Landkreis Freising als Waisenrätin berufen und arbeitete auch da sehr engagiert. Zwei Wahlperioden war sie auch als Jugendschöffin berufen.
1973 trat Frau Hedwig Stubner in den wohlverdienten Ruhestand. Sie lebt zufrieden in ihrer Ordensgemeinschaft in Würzburg.
Zuletzt bearbeitet am
1. 8. 1998 von Wolfgang Müller
(E-Mail)
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