Schnitzerei aus dem Stalag VII A entdeckt
        Pelikan-Skulptur wurde von Cesare Grones während
        Kriegsgefangenschaft geschaffen
        Moosburg. Ein in jeder Hinsicht kostbares Relikt aus dem
        Stalag VII A konnte Heimatmuseumsleiter Bernhard Kerscher
        bergen: Es handelt sich um eine Holzschnitzerei, die eine
        Gruppe Pelikane - eine Mutter und deren Nachwuchs - zeigt.
        Das arg lädierte Teil wird derzeit von Rudolf Kocych
        restauriert und soll als Dauerleihgabe ins Heimatmuseum
        kommen. Es kann dann von der Öffentlichkeit besichtigt
        werden. 
        1942 hatte ein Angehöriger der Moosburger
        Installateursfamilie Schmid, der als Wachsoldat im Lager
        wirkte, einen Pelikan mit nach Nahrung gierenden Jungen gegen
        Eier eingetauscht. Das Kunstwerk fristete nach dem Krieg ein
        kümmerliches Dasein im Freien zwischen Gartenzwergen. Vor
        rund 20 Jahren war es auseinandergebrochen, seitdem war es in
        einem Speicher eingelagert. 
        Das ansehnliche Objekt hat eine Grundfläche von 50 mal 50
        Zentimetern und eine Höhe von 80 Zentimetern. 17 Einzelteile
        aus qualitativ schlechtem Lindenholz sind zu einer Einheit
        verarbeitet. Rund 100 Stunden Aufwand hat Kocych für die
        Restaurierung kalkuliert, inklusive der Entfernung irgendwann
        einmal aufgetragener Neufärbungen. 
        Beeindruckend an dem Objekt sind insbesondere die Flügel:
        Die fein herausgearbeiteten Federn, aber auch die
        Gesamtanlage erlauben im Zusammenhang mit der schlechten
        Holzqualität den Schluss, dass hier ein professioneller
        Schnitzer am Werk gewesen sein muss.  
        Ein Pelikan gilt als Symbol für den Opfertod Jesu Christi
        und ziert daher zahlreiche liturgische Gefäße. Zum einen
        holen die Jungen das Futter tief aus dem Kehlsack heraus, was
        den Eindruck erweckt, sie nährten sich aus dem Inneren des
        erwachsenen Tieres. Zum anderen färbt sich beim
        Krauskopfpelikan der Kehlsack während der Brutzeit rot, was
        den Eindruck des Blutes erhöht. 
        Legenden berichten von Pelikanen, die den getöteten Jungen
        die Brust aufbrachen und sie unter Inkaufnahme des eigenen
        Verblutens mit ihrem Blut wieder belebten. Thomas von Aquin
        hatte hierzu in "Adoro te devote" formuliert: "Gleich dem
        Pelikane starbst Du, Jesu mein." 
        Dante Alighieri wiederum hatte in der 38. Terzine des 25.
        Gesangs der "Göttlichen Komödie" gedichtet: "Er ruht am Busen
        unseres Pelikans; ihn hat der Herr zur großen Pflicht
        erlesen, als er den Martyrertod am Kreuz empfah'n." 
        Der im Bibelurtext wohl nicht näher identifizierbare
        Wasservogel wurde in der Vulgata-Version zum Pelikan,
        mutierte im 102. Psalm der Lutherbibel-Fassung von 1912 zur
        Rohrdommel, um in der Neuauflage von 1984 und der 1997
        erschienenen "Gute Nachricht Bibel" zur Eule zu werden. Die
        Einheitsübersetzung machte gar eine Dohle daraus. 
        Entstanden war das Kunstwerk 1942 durch C. Grones. Dies
        verrät die Gravur an der Rückseite der Schnitzerei, ebenso
        wie dessen Gefangenennummer 6/512. Recherchen im Internet
        erbrachten einen ersten Verdacht, wer sich hinter dieser
        Person verbergen könnte. 
        Dieser erhärtete sich nach einer Kontaktaufnahme mit den
        Angehörigen: Cesare Grones lebte von 1912 bis 1991, war
        Schnitzer und stammt aus dem Grödnertal in Südtirol. Der Stil
        ähnele seinen Werken, so Angehörige in der zweiten und
        dritten Generation, und er sei in Moosburg auch jahrelang
        Kriegsgefangener gewesen. 
        Alle anderen Grones scheiden aus relativ vielversprechend
        war noch eine Spur in das deutsch-niederländische Grenzgebiet
        zu einer Schmiedefamilie dieses Namens, doch dort war nach
        Angaben der derzeit lebenden Personen niemals jemand in
        Moosburg als Gefangener gewesen. 
        Ein Mosaiksteinchen fehlt jedoch: Wieso war der Südtiroler
        Grones in Moosburg gefangen? Durch den Hitler-Mussolini-Pakt
        war Südtirol endgültig an Italien gefallen,
        umsiedlungswillige Südtiroler bekamen als Ausgleich Land im
        Osten. In Italien verbliebene Südtiroler waren geächtet,
        Italien selbst war 1942 noch Verbündeter Deutschlands
        gewesen. In beiden Fällen wäre Grones nie zum
        Kriegsgefangenen geworden. 
        Man kann mit hoher Sicherheit vermuten, dass er in den
        Wirren des Krieges in einer alliierten Einheit diente. In
        Frage käme die französische Fremdenlegion. Seine Frau lebt
        noch, konnte aber auch keine Auskünfte geben. Und seine
        Tochter wie seine Verwandten, die ein Hotel in St. Ulrich
        betreiben, wussten von seiner Gefangenschaft, nicht aber von
        den Umständen. -fi 
          Quelle:
        
          - © Moosburger Zeitung, 8. April 2007
 
         
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